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Soulbots: Achtsame Maschinen für den Alltag


veröffentlicht am 27.04.2022

Benedikt Kastner, M.A. ist Promotionsstudent der Religionswissenschaft an der Universität Hamburg. In seinem Promotionsprojekt beschäftigt er sich mit der Authentizität von Achtsamkeits-Apps.


Achtsame Maschinen zu erschaffen, ist der Wunsch eines Unternehmens aus Bochum. Eine Kombination aus Künstlicher Intelligenz (KI), Psychologie und Empathie soll dieses Vorhaben ermöglichen. Der Anspruch dahinter ist auf der Website klar formuliert: Mit seinen Produkten will der Betrieb für mehr Achtsamkeit nichts Geringeres als die Welt verändern. Um das zu erreichen, sollen einer KI Emotionen implementiert werden. Dieses Versprechen taucht auch im Markennamen des Unternehmens auf. Hoffnungsvoll nennt sich das Projekt Mindful Machines. Artificial Emotional Intelligence. Aber was hat KI mit Achtsamkeit zu tun und wie wird die Idee in die Tat umgesetzt?

Achtsamkeit (engl. mindfulness) hat sich in den letzten Jahren zum Modewort entwickelt. Ob bei Diäten, Entspannungsübungen, im Coaching, in Therapien oder Wellness-Retreats – Achtsamkeit ist en vogue und allgegenwärtig. Während in der Geschichte des Buddhismus Achtsamkeit noch überwiegend von Mönchen praktiziert wurde, könnten heute alle Menschen Achtsamkeit ausüben – ein Trend, der vor allem durch die Arbeiten des Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn in den 1970er-Jahren geprägt wurde (vgl. Wilson 2017). In dieser Zeit adaptierte Kabat-Zinn Achtsamkeits-Meditationen erfolgreich in die Behandlungsmethoden von Medizin und Therapie und prägte damit die Auffassung von Achtsamkeit als eine Methode zur wertfreien Wahrnehmung. Sein Ziel war es, den Gesundheitszustand von Patient*innen durch die Meditationen nachhaltig zu verbessern (vgl. Kabat-Zinn 1994). Für Achtsamkeit war das der Startschuss für eine internationale Karriere, die bis heute andauert. Ruhe, Entspannung, Bewusstsein, Glück und Ausgeglichenheit gehörten fortan zum Vokabular, mit dem Achtsamkeit Ausdruck verliehen wird.

Die Vision des Projekts Mindful Machines ist, "Maschinen zu sinnvollen Gesprächspartnern für Menschen zu machen" (Mindful Machines A.I. 2022, übers. d. Verf.). Der Name für das Produkt lautet Soulbot, also Seelenroboter. Mit seinen Soulbots hofft das Unternehmen aus Bochum einen positiven Einfluss auf unterschiedliche Lebensbereiche zu haben: Online-Partner*innensuche, Online-Shopping, E-Gaming, Coaching und Pflege. Für pflegebedürftige Menschen beispielsweise wollen die Verantwortlichen von Mindful Machines Roboter entwickeln, die sich um die Patient*innen achtsam kümmern. Für diesen Aufgabenbereich bzw. für einen solchen Soulbot könnten sie eine Software entwickeln, die auf Erkrankungen, Therapiezugänge, psychologische Kenntnisse und die Emotionen der Patient*innen hin programmiert ist. Die Hardware, sprich das Äußere des Roboters, orientiert sich an der Statur eines menschlichen Körpers. Diese Rezeptur aus Software und Hardware führe schließlich dahin, den Pflegebedürftigen entsprechende Emotionen und Empathie zu kommunizieren und sie in schwierigen Lebensphasen zu unterstützen. Als Folge könne eine seelische Verbindung zwischen Patient*innen und Robotern entstehen. Diese Form der Hilfe und Interaktion versteht das Unternehmen als Achtsamkeit; ein Zustand, der nicht mehr länger auf den Menschen beschränkt ist. Das Team von Mindful Machines ist der Auffassung, dass auch KI-Technologien achtsam sein können (vgl. Mindful Machines A.I. 2022).

Der Künstler und Autor James Bridle ist der Meinung, dass es sich bei Technologien um Fortsätze des Menschen handelt. In den Technologien transportiert bekämen Wissen, Handlung und Infrastruktur eine neue Gestalt (vgl. Bridle 2020: 25). Was bedeutet das für Mindful Machines? In seinen Soulbots vermittelt das KI-Unternehmen seinen Kund*innen ein Update von Achtsamkeit. Durch die eingebaute Software verkörpern die Soulbots, so die Betriebs-Website, Menschlichkeit, Bewusstsein und Wahrnehmung; allesamt Begriffe, die auch in gegenwärtigen Konzeptionen von Achtsamkeit vorkommen. Die KI ermögliche es laut den Experten für Mindful Machines, die Seelenroboter mit diesen menschlichen Eigenschaften auszustatten und sie dadurch am menschlichen Leben teilhaben zu lassen. Während die Geschichte der Achtsamkeit von menschlichen Erfahrungen geprägt ist, sind nun die Soulbots Dreh- und Angelpunkt einer neuen Erfahrung der Praxis, die sowohl Roboter wie auch Menschen miteinschließt. Die KI hebt Achtsamkeit also auf eine neue Stufe. Algorithmen und Codes hauchen der Praxis neues Leben ein und machen aus Achtsamkeit die Seele der Soulbots. Mit dieser Fortsetzung von Achtsamkeit hoffen die Entwickler der Mindful Machines einen achtsamen Fußabdruck auf der Erde zu hinterlassen. Ob sich diese Hoffnung erfüllt, gilt abzuwarten.

Verwendete Literatur:

Bridle, James. 2020. New Dark Age. Der Sieg der Technologie und das Ende der Zukunft. München: C. H. Beck.

Kabat-Zinn, Jon. 1994. Wherever You Go, There You Are. Mindfulness Meditation in Everyday Life. New York: Hyperion.

Mindful Machines A.I. 2022. Website: https://mindful-machines.ai (zuletzt abgerufen am 08.01.2022).

Mindful Machines A.I. 2022. Soulbot: https://mindful-machines.ai/soulbot/ (zuletzt abgerufen am 08.01.2022).

Mindful Machines A.I. 2022. Technology: https://mindful-machines.ai/technology/ (zuletzt abgerufen am 08.01.2022).

Wilson, Jeff. 2017. "Mindfulness on the Move. A Translocative Analysis of Global Mindfulness Flows". In Eastspirit. Transnational Spirituality and Religious Circulation in East and West, herausgegeben von Jørn Borup und Marianne Qvortrup Fibiger, 29:61–79. International Studies in Religion and Society. Leiden, Boston: Brill.




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Letzte Änderung: 27.04.2022