Moderne religiöse Erlebnisgesellschaften. Mediale und ästhetische Präsentationen von Lehren christlich orientierter Organisationen in den USA.

Ein Forschungsprojekt der DFG am Institut für Religionswissenschaft Heidelberg.

Teilprojekt 1:

"A Church Without Walls" Die Raider Nation und die Nation Ministries als postmoderne Formen der kirchlichen Vergemeinschaftung

Der erste Forschungsstrang des beantragten Projekts soll sich der Raider Nation widmen. Besonderes Interesse soll dabei den Nation Ministries zukommen, die sich als offizielle Kirche der Raider Nation verstehen und präsentieren. Diese selbsternannte "church without walls" weist eine vielschichtige Organisationsstruktur auf, wird von "religiösen Spezialisten" geleitet und bietet den Fans der Oakland Raiders die Möglichkeit zur gemeinsamen Kontingenzbewältigung bzw. Verehrung des Clubs.

Die Oakland Raiders sind eines der bekanntesten Teams der amerikanischen National Football League (NFL), das laut dem Forbes Magazin als Marke einen Wert von mehr als 860 Millionen Dollar besitzt. Die in der Raider Nation organisierten Fans der Raiders gelten als "the most notorious fans on the planet" und waren bereits Gegenstand einer gleichnamigen Dokumentation. Traditionell belegen sie bei Heimspielen des dreimaligen Super Bowl Gewinners Oakland Raiders die Blöcke 104, 105, 106 und 107 des sogenannten "Black Hole" im mehr als 60.000 Zuschauer fassenden Oakland-Alameda County Coliseum.

Im Rahmen dieses Forschungsprojekts steht die wissenschaftliche Untersuchung der Nation Ministries als "ekklesialem Zweig" der Raider Nation sowohl bei Heimspielen der 1960 gegründeten Oakland Raiders als auch bei Auswärtsspielen im und außerhalb des Stadions sowie bei offiziellen Fanclub-Treffen im Vordergrund. Zwar sind in den letzten Dekaden eine Vielzahl von Studien zum Thema "Religion und Sport" erschienen es wurde jedoch nur unzureichend auf die Rolle der Zuschauer bei einer Sportveranstaltung eingegangen, sodass eine umfassende wissenschaftliche Erforschung des "Spiels mit Gott" noch aussteht. Das "erlebende Individuum" wird in der Forschungsliteratur lediglich als Rezipient des Spektakels und nicht als aktiver Teilnehmer an der Erschaffung, Legitimation und Sakralisierung von Ritualen, Symbolen und Orten angesehen. Innerhalb des ersten Forschungsstranges soll sich demnach gezielt mit dem Topos der Auflösung von örtlich gebundener, religiöser Praxis als Spezifikum der Moderne beschäftigt werden. Eine Analyse der Nation Ministries, die sich selbst als "church without walls" bezeichnen, verspricht besonders ertragreich zu werden.

Darüber hinaus eröffnet sich durch ein solches Vorgehen die thematische Verbindung zu den beiden anderen Forschungssträngen, die sich ebenfalls mit der Verlagerung religiöser Praxis in vermeintlich säkulare Umgebungen (Erlebnisparks, ehemalige Basketballarena) beschäftigen. Eine Untersuchung der aktiven Teilnahme und Teilhabe von Akteuren an der Erschaffung von Gemeinschaftlichkeit und "heiligen Orten" steht dabei im Vordergrund. Im Sinne eines "bottom-up"-Ansatzes wird damit an aktuelle Forschungsdiskurse über die Topoi Rituale und Symbole, Körperlichkeit, Wallfahrten und gemeinschaftliches Essen angeknüpft. Ebenfalls kann auf eine ausführliche wissenschaftliche Beschäftigung mit Gemeinschaften und deren Rolle innerhalb der amerikanischen Religionsgeschichte zurückgegriffen werden.

Methodisch orientiert sich der Forschungsstrang an den Arbeiten Bill Buffords und Franklin Foers. Durch ihre Studien "Among the Thugs" bzw. "How Soccer Explains the World: An (Un)Likely Theory of Globalization" lieferten sie einen bedeutenden Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion über Anforderungen und Schwierigkeiten Teilnehmender Beobachtung bei Fanclubs. Eine Forschungslücke klafft jedoch weiterhin bei der Untersuchung gemeinschaftsstiftender Mechanismen sowie religiöser Organisationen von Fanclubs. Diese Lücke verspricht die religionswissenschaftliche Erforschung der Raider Nation zu schließen. Ein solches Forschungsvorhaben steht noch aus und verspricht einen wichtigen Beitrag zum Themenfeld "Sport und Religion in den USA" sowie zur allgemeinen wissenschaftlichen Beschäftigung mit Kongregationen in den USA zu liefern. Dem religionsästhetischen Ansatz Rechnung tragend, soll die These vertreten werden, dass die medial und ästhetisch präsentierte Lehre den Schlüssel für die Gewinnung und Bindung von Mitgliedern darstellt.

Dr. Anthony Santoro

Studium und beruflicher Werdegang

  • 2010, Ph.D., American Studies, Heidelberg University
  • 2005, M.A., American Studies, Heidelberg University
  • 1999, B.A., English, History, University of Virginia
  • seit Juli 2010 Post-Doctoral Fellow, Heidelberg University, Heidelberg Center for American Studies
  • 2006-2009 BASF Dissertation Scholarship
  • 2005-2006 Student Academic Assistant, Heidelberg Center for American Studies, Historisches Seminar, Heidelberg University
  • 2003-2004 Proposal Specialist, Dynamac Corporation, Rockville, MD
  • 2002-2003 Mitigation Investigator/Administrative Assistant, Virginia Mitigation Project, Charlottesville, VA

Dr. Anthony Santoro

Kontaktdaten

Studien- und Arbeitsschwerpunkte

Religion in the United States, sport in the United States, capital punishment, religion and identity, sport and identity, sports fans, religion and science fiction, First Amendment religious challenges, religious utopias/dystopias

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