Die Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz sind dabei, unseren Planeten, unsere Gesellschaft und uns als Individuen grundlegend zu verwandeln. Unsere Wahrnehmung unserer Menschlichkeit, unser Verständnis von Intelligenz und Bewusstsein sowie unser Zusammenleben werden durch die KI erschüttert. Die disruptive Macht der KI hat auch massive Auswirkungen auf Religion. Religiöse Institutionen, Bewegungen, Diskurse, Praktiken und Akteur*innen werden durch die KI transformiert. Auch unabhängig davon, ob die Akteur*innen religiös sind oder nicht, sind sie vollständig in neue digitale Technologien eingebunden. Um den neuen Technologien und den Eliten, die sich ihrer bedienen, nicht hilflos ausgeliefert zu sein, müssen die Wirkungsweisen der Diskurse und Praktiken der KI entschlüsselt werden.

Folglich sind die diagnostischen Potentiale der Religionswissenschaft doppelt gefragt: Zum einen gilt es, das breite Spektrum der Wechselwirkungen zwischen Religion und KI zu erforschen. Zum anderen gilt es, die Theorien und Befunde der Religionswissenschaft auf die KI als eine religionsanaloge Formation anzuwenden.

Die Fragestellungen zu den Wechselwirkungen von Religion und Künstlicher Intelligenz lassen sich in zwei große Bereiche einteilen: KI und Religion sowie KI als Religion. Der erste Themenblock fokussiert auf den Einfluss der KI auf Religionen, etwa in den Bereichen Mission und Verwaltung, den Gebrauch von KI durch Religionen zum Beispiel in Apps oder den Einsatz von Robotern als Priester*innen, sowie die Transformation religiöser Vorstellungen und Praktiken durch die KI, etwa in Form neuer religiöser Bewegungen. Weiter kann die KI als Herausforderung für religiös und kulturell bedingte Bilder vom Menschen sowie als Impuls für theologische Selbstverständigungsprozesse untersucht werden. Der zweite Themenblock betrifft die Diskurse und Praktiken der KI als religionsanaloge Formationen. Zentrale Fragestellungen richten sich auf die religiöse Rhetoriken und soteriologischen Versprechen der Diskurse über die KI sowie die Kernfunktionen der KI und der durch sie geschaffenen Algorithmen.

Zur Erforschung dieser Fragestellungen gilt es, auf die diskurs- und ideologiekritischen Ansätzen der Religionswissenschaft zu rekurrieren. Mit Hilfe multimethodischer Zugänge können gesellschaftliche Dynamiken und soziale Konsequenzen der KI offengelegt und erörtert werden. Die Ansätze der Material Religion verhelfen dazu, die bislang eher vernachlässigten anthropologischen Dimensionen der KI-Praxis in den Blick zu nehmen. Gendertheoretische Ansätze können Erkenntnisse über die Folgen der androzentrisch dominierten KI-Forschung generieren sowie die bislang kaum berücksichtige Differenz zwischen männlichen und weiblichen Lebenswelten und ihren Transformationen durch die KI in den Blick fassen.








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Letzte Änderung: 30.05.2022