Banner




Londoner Moscheen: Konsum, Branding und Religion


veröffentlicht am 02.05.2023

Autor: Benedikt Kastner, M.A.


Das Anliegen, Menschen einen Sinn für ihr Leben zu vermitteln, findet sich in vielen Religionen der Welt. In der Vergangenheit gebrauchten religiöse Spezialist*innen dafür oftmals analoge Medien, um religiöse Vorstellungen und Praktiken an den Mann und die Frau zu bringen, so beispielsweise auch in islamischen Traditionen. Heute laufen immer mehr digitale Medien ihren Vorgängern den Rang ab. Ein Blick auf die Websites verschiedener Londoner Moscheen verrät: die Digitalisierung ist im Alltag Londoner Muslim*innen angekommen. Über das Internet und seine sich stets verändernden Technologien erfahren sie, wie es um ihre Religion – kurzum: deren Sinn und Praxis – steht. Die digitale Gestaltung der Moscheen inklusive ihrer Religion erinnern dabei stark an Markenstrategien wie sie in der Welt der Werbung gang und gäbe sind. Das digitale Angebot zweier Londoner Moscheen erlaubt es, Einblick in die religiöse Vermittlung in Zeiten von Konsum, Branding und Digitalisierung zu erhalten.

Die London Central Mosque, in dessen Haupthalle bis zu 5.000 Menschen Platz finden, ist die größte Moschee im Stadtkern Londons. Auf ihrer Website eröffnet sie Interessierten einen multimedialen Zugang zur Gemeinde: Gebetszeiten und Livestreams reihen sich an allgemeine Informationen über die Moschee, zum sunnitischen Islam und zu religiösen Erziehungsprogrammen. Termine für Hochzeiten, Scheidungen und Konversionsrituale lassen sich direkt online buchen, daneben finden sich aktuelle Spendenaufrufe sowie Fotoaufnahmen der Moschee. Inwieweit neue Technologien in die Website und damit in die Vermittlung des Islam integriert werden, zeigt sich beispielsweise bei der Spendensammlung. Hier setzt die Moschee auf QR-Codes, die sowohl auf der Website, wie auch im Gemeindehaus abfotografiert werden können und Besucher*innen die Gelegenheit geben, per Smartphone für die Moschee, ihre sozialen Projekte oder auch für das eigene Leben nach dem Tod zu spenden. Das funktioniert so: Ein Scan des Codes via Smartphone führt Mitglieder und Interessierte zum jeweiligen Spendenaufruf, den sie mit Mastercard, Apple Pay oder Paypal unterstützen können. Mit Slogans beworben heißt es beispielsweise für ein gutes Leben im Jenseits: „Donate to the mosque. Build your house in paradise“ (The London Central Mosque Trust Ltd. 2023). Weiter heißt es, dass es die religiöse Pflicht von Muslim*innen sei, einen Teil ihrer Finanzen mit Gemeinde und Mitmenschen zu teilen. Im Fall der Paradiesaktion führe die Spende an die Moschee zu einem jenseitigen Nutzen der eigenen Person, einem sogenannten Hausbau.

Das Logo der Moschee begegnet Nutzer*innen wie ein optischer Wegbegleiter auf allen Plattformen, also auf der Website, den Social-Media-Kanälen, in der eigenen App sowie im Gemeindehaus. Es stellt ein mit filigranen Linien konzipiertes Haus samt Mondsichel und arabischen Zeichen dar. Mal blau designt, mal gold und auch grün – das Logo, also das Markenzeichen der Moschee, kennzeichnet die Werte und Vorstellungen oder auch die Story, die der Moschee wie auch einer jeden anderen Marke in der Welt der Werbung einverleibt sind (vgl. Twitchell 2004). Bei der London Central Mosque sind diese Werte und Vorstellungen religiös durchtränkt, an religiöse und soziale Praktiken gekoppelt sowie an analoge und digitale Medien gebunden. Die Werte und Vorstellungen sind eingegliedert in ein sunnitisches Weltbild, das auf Allah und den Propheten Mohammed ausgerichtet ist. In der App gelangen Nutzer*innen etwa über einen Klick auf den Button, auf dem das Logo, sprich das Markenzeichen der Moschee abgebildet ist, zu den Werten, Vorstellungen und Praktiken des Islam. Das Heils- bzw. Markenversprechen ist in der Story der Moschee klar formuliert: Diesseitige Praktiken haben einen positiven jenseitigen Nutzen (#donation #lifeinparadise). Um diesen Nutzen zu haben, reiche etwa ein Klick auf den richtigen QR-Code aus.

Die Perspektive, Religionen als Marken zu begreifen, die Rezipient*innen ähnlich wie Konsument*innen einen Sinn für ihr Leben anbieten, ist in der Religionswissenschaft seit einigen Jahren vertreten (vgl. Emling, Rakow 2014). Die Vermittlung von Religion erfolgt ähnlich wie bei einer Marke über Materialitäten, Medien, Technologien und die Reize, die durch sie hervorgerufen werden. Ihre Summe ruft eine Atmosphäre hervor, in der Akteur*innen den Sinn ihrer Religion erleben. Im Fall der London Central Mosque entwickelt sich dieser digital über ein Zusammenspiel von Design, Storytelling, Werten, Vorstellungen und Praktiken, das auf ein muslimisches Publikum ausgerichtet ist. Neben dem zu erwerbenden jenseitigen Nutzen werden Stiftende durch die Praxis des Spendens Teil einer Gemeinschaft, die sich von anderen (Moschee-)Gemeinschaften (Marken) abhebt (vgl. Kotler, Armstrong 2008: 231-232; Kotler 1973: 48-64; Meyer, Morgan 2010: 207-211).

So wie die London Central Mosque präsentiert sich auch die East London Mosque als ein Gemeindehaus des sunnitischen Islam, das seine Werte und Vorstellungen über bestimmte Designs und Medientechnologien vermittelt. Die Story ihrer Religion transportiert die Moschee vor allem über die Werte des Umweltschutzes oder auch durch Fundraising Events für die eigene Sache. Über den Slogan „Shop to support us!“ (The East London Mosque Trust 2023) bewirbt sie Kooperationen mit dem Online-Versandhändler Amazon, das eigene Gemeindehaus sowie den Konsum selbst, beispielsweise über das Amazon Smile Projekt. Die Werbeworte hierfür lauten: „A simple way to support the Mosque every time you shop at no cost to you!“ (ebd.). Der Gedanke hinter Amazon Smile ist, dass Kund*innen mit jedem Einkauf auf der Plattform an eine soziale Organisation, wie etwa einer Moschee, spenden können.
Ähnlich wie bei der Central London Mosque begleitet das Logo, ein blumenähnliches Symbol, in dessen Zentrum die Kaaba bildlich platziert ist, Besucher*innen auf der eigenen Website und auf Amazon sowie Nutzer*innen in der Moschee eigenen App. Die Atmosphäre ist dabei auf die Vermittlung eines modernen sowie klima- und konsumfreundlichen Islam angelegt, in dessen Zentrum die Kaaba steht, also das schwarze quaderförmige Gebäude – auch Haus Gottes genannt –, das im Innenhof der Moschee in Mekka liegt. Mit jedem Klick auf der Website oder in der App verankern Gemeindemitglieder die sakrale Pilgerstätte mehr und mehr in ihrem Alltag.

Dass es sich bei beiden Moscheen und ihren markenähnlichen Repräsentationen um keine Ausnahmen im islamischen Kosmos handelt, zeigen im deutschen Kontext etwa muslimische Apps, die mit anderen Apps um ein Download konkurrieren oder muslimische Influencer*innen, die für die eigene Religion oder eine bestimmte Moschee werben. Während Religionen, so zeigt es die Forschung, durch die Geschichte hinweg als Marken zu betrachten sind, deren Schöpfer*innen eine Story vermitteln, prägen im 21. Jahrhundert die Auswirkungen der Medialisierung, wie eine Religion, wo und wann präsentiert und gelebt wird (vgl. Emling, Rakow 2014). Durch das Zusammenspiel verschiedener Medientechnologien haben Menschen daher über ihr Smartphone zu jeder Zeit und an jedem Ort Zugriff auf einen Islam, dessen Stories noch nicht zu Ende erzählt sind.

Verwendete Literatur:

Atkin, Douglas. 2004. The Culting of Brands. Turn Your Customers into True Believers. New York, Toronto u.a.: Portfolio.

Emling, Sebastian, und Katja Rakow. 2014. Moderne religiöse Erlebniswelten in den USA. „Have Fun and Prepare to Believe!“ Berlin: Reimer.

East London Mosque Trust. 2023. Website: https://www.eastlondonmosque.org.uk/ (zuletzt abgerufen am 12.04.2023).

Kotler, Philip, und Gary Armstrong. 2008. Principles of Marketing. 12. Aufl. Upper Saddle River: Prentice Hall.

Kotler, Philip. 1973. „Atmospheric as a Marketing Tool“. Journal of Retailing 49 (4): 48–64.

Meyer, Birgit, und David Morgan et al. 2010. „The Origin and Mission of Material Religion“. Religion 40 (3): 207–11.

London Central Mosque Trust Ltd. 2023. Website: https://iccuk.org/index.php (zuletzt abgerufen am 12.04.2023).

Twitchell, James B. 2004. Branded Nation. The Marketing of Megachurch, Inc., and Museumworld. New York, London u.a.: Simon & Schuster.




E-Mail: Seitenbearbeiterin
Letzte Änderung: 02.05.2023